Im Oktober 2020 hat die Bundesregierung die „Offensive Psychische Gesundheit“ gestartet, um psychischen Belastungen am Arbeitsplatz mehr Bedeutung und Aufmerksamkeit zu schenken. Die eindeutige Empfehlung ist, die betriebliche Ausgangssituation zu beurteilen, sogenannte Gefährdungsbeurteilungen zu erarbeiten und gegebenenfalls aktiv etwas für das psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter zu tun.
Die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Probleme hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht! Komplexere Job-Anforderungen, die Digitalisierung und mit ihr einhergehende Veränderungsprozesse, ein größerer Wettbewerbsdruck, das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Generationen und deren Werte- und Job-Vorstellungen, höhere Lebenshaltungskosten und zusätzliche Belastungen durch Krisen und Pandemien – die Ursachen für die seit Jahren steigenden psychischen Belastungen am Arbeitsplatz sind vielfältig. Hinzu kommt eine Vielzahl von Ursachen, die im privaten Umfeld für Stress, Sorgen und psychologisches Unwohlsein führen und sich negativ auf die Belastbarkeit und Motivation im Berufs- und Privatleben auswirken.
Innerlich gekündigt
Neueste Studien zeichnen ein trauriges Bild der Arbeitswelt in Deutschland mit weitreichenden Folgen. 71% aller Mitarbeiter machen nur noch Dienst nach Vorschrift, 30% aller Fachkräfte verlassen das Unternehmen spätestens nach zwei Jahren, 14% aller Arbeitnehmer haben ihren Job bereits innerlich gekündigt, 50% oder mehr Krankschreibungen haben einen psychologischen bzw. psychosomatischen Hintergrund, 5 Millionen Menschen sind so unzufrieden, dass sie am liebsten sofort kündigen würden.
Verheerende Folgen
Weniger Motivation, ein geringeres Engagement, weniger Belastbarkeit, mehr Stress, weniger Leistungsfähigkeit, häufigere und längere Krankmeldungen, eine höhere Fluktuation und ein schlechtes Betriebsklima – die kurz- und mittelfristigen Folgen für fehlendes Wohlbefinden am Arbeitsplatz sind für jeden einzelnen Mitarbeiter gravierend. Langfristig spürt auch das Unternehmen deutlich die Folgen: Weniger Effizienz, schlechtere Projektergebnisse und weniger Innovation können für einen geringeren wirtschaftlichen Erfolg und eine schlechtere Marktposition sorgen. Wenn eine hohe Unzufriedenheit herrscht, leidet darüber hinaus oftmals der Ruf eines Unternehmens, wodurch es für das Unternehmen zunehmend schwieriger werden kann, neue Positionen zu besetzen.
Kostenloses Obst reicht nicht aus
Gute Projektergebnisse, Innovation und Erfolg hängen maßgeblich von der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter ab, das ist längst kein Geheimnis mehr. Und so wundert es nicht, dass viele Unternehmen mit unterschiedlichsten Mitteln auf die oben beschriebene Problematik reagieren: Kostenloses Obst, vergünstigte Mitgliedschaft im Sportstudio oder andere Gesundheits-Goodies auf der einen Seite, höhenverstellbare Schreibtische, modernste Smartphones und Zweitbildschirme auf der anderen Seite. Umstrukturierungen, das Formulieren einer Vision und Mission des Unternehmens, die Beschäftigung mit Unternehmenswerten sowie neue PR- und Marketingmaßnahmen nach innen und außen werden ebenfalls im Kampf gegen Unwohlsein eingesetzt. Im besten Falle dürfen sich Mitarbeiter auf flexiblere Arbeitszeiten oder höhere Boni und Gehälter freuen. Dies alles kann die (Arbeitsplatz)-Zufriedenheit steigern, an den Kern der Sache für mangelndes Wohlbefinden gelangen sie jedoch meist nicht.
Psychologisches Wohlbefinden
Die Zusammenhänge zwischen dem Wohlbefinden der Mitarbeiter und dem Erfolg eines Unternehmens werden seit einigen Jahren intensiv erforscht. Wichtigste Erkenntnis: Während viele Unternehmen sich in erster Linie um die Steigerung des subjektiven Wohlbefindens bemühen, kann nur die Steigerung des psychologischen Wohlbefindens langfristige Zufriedenheit schaffen.
Worin unterscheidet sich aber das eine vom anderen?
Subjektives Wohlbefinden beschreibt die Zufriedenheit mit einzelnen Lebensbereichen wie die Zufriedenheit mit der Wohnsituation, Familienverhältnisse, Partnerschaft, Freunde, Einkommen, Beruf und Arbeitsplatz, Gesundheit etc. Es geht um das Vorhandensein positiver Emotionen und Stimmungen bzw. die Abwesenheit negativer Stimmungen.
Subjektives Wohlbefinden findet aber keine Antworten darauf wie viel Sinn der Mensch in seinem Leben und seinen Tätigkeiten findet, wie viel er sich selbst zutraut, in welchem Maß er sich selbst achtet, wie wohl er sich in Familie-, Freundes- und Kollegenkreis fühlt und wie zufrieden er mit sich und seiner persönlichen Entwicklung ist.
Psychologisches Wohlbefinden entsteht, wenn Menschen ihr eigenes Potenzial voll ausschöpfen, ihrer eigenen wahren Natur nachgehen, sich selbst realisieren und persönlich wachsen können. Wenn das, was sie (am Arbeitsplatz) tun für sie wertvoll und in Übereinstimmung mit ihrem wahren Selbst ist.
Dabei gibt es sechs Faktoren für psychologisches Wohlbefinden: Freiheit, Sicherheit, Sinn, Selbstakzeptanz, Persönliches Wachstum und Umweltbewältigung.
Freiheit-Sicherheit-Sinn
Freiheit bzw. Autonomie, Sicherheit und Sinn zählen zu den drei psychischen Grundbedürfnissen. Daher gilt es als besonders wichtig, Spannungen in den eigenen Lebens- und Arbeitsbereichen zu entdecken und gegebenenfalls wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Denn nur dann kann man zufrieden und glücklich sein. Diese sogenannte Selbstaktualisierung kann mithilfe eines Coachings gelingen – außerhalb eines professionell angeleiteten Trainings kann man sich zunächst selbst Fragen stellen wie „Kenne ich meine Bedürfnisse?“ oder „Stimmt es so wie es ist?“
Freiheit / Autonomie
Freiheit schafft Wohlbefinden. Was genau bedeutet das im Arbeitsumfeld?
Neben Entscheidungsfreiheit spielen Entfaltungs-und Gestaltungsfreiheit sowie Meinungsfreiheit eine wichtige Rolle.
Ein Beispiel: Wenn ein Mitarbeiter von seinem Vorgesetzen keine Verantwortung übertragen bekommt, obwohl er dies gerne möchte, wenn er Dinge nicht selbst entscheiden darf, obwohl sie in seinen Kompetenzbereich fallen, dann entsteht schnell das Gefühl, dass sein Chef ihm weder vertraut noch für fähig hält. Dies wiederum führt zu Unzufrieden und Unwohlsein, im schlimmsten Fall sogar zu Wut. Ein Mitarbeiter hingegen, dem etwas zugetraut wird, der wächst oftmals über sich hinaus und ist hoch motiviert.
Im Bereich der Meinungsfreiheit gilt es, sich darauf zu besinnen, dass Skeptiker, die gerne mal als Nörgler oder Miesepeter bezeichnet werden, in Wirklichkeit wichtige Qualitätssicherer sind. Stärken trainieren und Potenziale entfalten – Das ist das wichtigste Credo im Bereich Gestaltungs- und Entfaltungsfreiheit. Denn nur dann können verborgene Talente und Fähigkeiten entdeckt und bestmöglich für das Unternehmen eingesetzt werden. Ein weiterer Tipp für Führungskräfte: Lassen Sie Kreativität und andere Vorgehensweisen zu – nur weil ein Mitarbeiter etwas anders macht, als Sie es tun würden, heißt es nicht, dass es schlechter ist.
Sicherheit
Positive Beziehungen geben Sicherheit. Empfindet ein Mitarbeiter die Beziehungen zu Vorgesetzten und Kollegen nicht als positiv, entsteht schnell Missmut, Unsicherheit und Angst. Das ist der Grund, warum es so wichtig ist, positive soziale und emotionale Beziehungen im Team aufzubauen und eine Kultur zu entwickeln, in der man sich gesehen, verstanden und geborgen fühlt.
Beispiel: Wenn ein Mitarbeiter keine Angst davor hat, einen Fehler zu machen, weil er weiß, dass der Vorgesetzte mit ihm problemlösend und verständnisvoll darüber sprechen wird, wird couragierter und letztlich innovativer denken und arbeiten. Wer hingegen fürchten muss auf Unverständnis, Beschimpfungen und Abwertungen à la „Habe ich mir doch gleich gedacht, dass Sie das nicht hinbekommen“ zu stoßen, der steht unter Stress und Druck, was letztlich zu weniger Motivation und Belastbarkeit führen kann.
Sinn
Nicht jeder muss in seinem Job die Welt retten oder die Meere von Plastik befreien – und dennoch sehnen wir uns alle nach Sinn. Dabei beginnt Sinn mit Verstehen und Identifikation. Unternehmen, denen es gelingt, nicht nur die Philosophie als Ganzes, sondern auch die Sinnhaftigkeit jedweder Tätigkeit plausibel zu machen, darf sich auf zufriedene Mitarbeiter freuen. Umgedreht ist es kein Wunder, wenn Mitarbeiter sich fragen, ob der Job noch Sinn für sie macht, wenn in der Chefetage immer wieder Entscheidungen getroffen werden, die nicht nachvollziehbar sind.
Beispiel: Ein Mitarbeiter hat mit Hochdruck an einem Projekt gearbeitet und dabei nicht nur viel Herzblut, sondern auch Zeit in Form von etlichen Überstunden investiert. Kurz vor Projektabschluss erhält er die Information, dass das Projekt gecancelt wurde. Weil eine Begründung fehlt, der Mitarbeiter keinen Sinn in dieser Entscheidung sieht und dies bereits zum wiederholten Male so passiert, entscheidet sich der Mitarbeiter traurig und frustriert ab sofort für Dienst nach Vorschrift.
Selbstregulation
Selbstakzeptanz, Persönliches Wachstum und Umweltbewältigung zählen zu den weiteren Faktoren für psychologisches Wohlbefinden. Sie helfen bei der Beantwortung der Frage: „Was kann ich tun bzw. was muss ich verändern, damit ich mich (wieder) wohlfühle?“
Selbstakzeptanz
Selbstakzeptanz ist eine wichtige Voraussetzung, um mit anderen gut umgehen zu wollen und zu können – das gilt für das Privatleben ebenso wie für das Verhalten im Job. Dabei hilft es, seine Stärken zu kennen und alte Verletzungen und Themen aufzuarbeiten, um ganz im Hier und Jetzt zu sein. Selbstakzeptanz schafft Wohlbefinden auch im Job: Wer mit sich selbst zufrieden ist, geht unvoreingenommener auf andere zu und hat den Kopf frei für anspruchsvolle berufliche Herausforderungen.
Persönliches Wachstum
Es ist uns Menschen in die Wiege gelegt, dass wir Neues lernen wollen. Vorausgesetzt die Bedingungen und Anforderungen entsprechen unseren Vorstellungen. Unternehmen sei es daher ans Herz gelegt, dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter an neuen Herausforderungen wachsen können. So dass sie selbst Verantwortung übernehmen, bewusst Entscheidungen treffen, nach neuen Stärken streben und Visionen entwickeln wollen. Weitere Vorteile eines Coachings im Bereich Persönlichkeitsentwicklung: Wer seinen Charakter weiterentwickelt wird resilienter gegenüber widrigen Umständen und schwierigen Herausforderungen, kann Ziele besser formulieren und umsetzen, wird mutiger Verantwortung übernehmen und mit mehr Zuversicht neue Aufgaben angehen.
Umweltbewältigung
Mit dem Verhalten anderer besser umgehen lernen, Kollegen und deren Meinung zu akzeptieren, ohne es immer verstehen zu müssen und erkennen, dass die eigenen Werte nicht zwingend die Werte anderer sind. Der sechste Faktor psychologischen Wohlbefindens hat auf die Zusammenarbeit im Team einen besonders großen Einfluss. Im Coaching geht es oftmals um Selbstregulation, die Förderung von Empathie und darum negative Glaubenssätze aufzulösen und in positive Affirmationen umzuwandeln. Dinge, die für mehr Wohlbefinden des Einzelnen und der Gruppe sorgen.
Zufriedenheit macht belastbarer
Zufriedene Mitarbeiter sind nachweislich kreativer, lösungsorientierter und motivierter. Sie sind belastbarer, engagierter, leistungsfähiger, sozialer, empathischer und gesünder! Wem es gelingt, diese neuesten Erkenntnisse verschiedener Wissenschaften anzuwenden, darf sich auf eine Positivspirale freuen – beruflich und privat!
Erfolg braucht motivierte Mitarbeiter
„Ich kann mich jetzt nicht auch noch um die Psyche meiner Mitarbeiter kümmern – wo soll ich da anfangen – wo soll das enden?“ So oder so ähnlich mag manch ein Geschäftsführer früher gedacht haben. Inzwischen ist das Bewusstsein in einem Großteil der Chefetagen längst anders. Mitarbeiterzufriedenheit wird als das verstanden, was es ist – ein Wettbewerbsvorteil und eine gute Investition in die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit eines Unternehmens.
Coaching wird dabei als wirksames Instrument geschätzt: Aktuellen Befragungen zufolge investieren rund 70 Prozent aller Unternehmen mit einer Größe über 50 Mitarbeiter in Coaching. Während in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Geschäftsführer und leitende Angestellte in den Genuss kamen, sind seit einigen Jahren auch Mitarbeitercoachings-, Trainings und Workshops auf dem Vormarsch.
„Durch Mitarbeiter-Coaching, ist es uns gelungen,
eine bessere Generationenverbindende Kommunikations- und Unternehmenskultur aufzubauen.“
Andreas R., 56, Unternehmer
„Wir haben im Rahmen der Digitalisierung erstmals auf umfangreiche Mitarbeitercoachings gesetzt und sind überwältigt von den Ergebnissen!“
Nicole H., 47, Personalleiterin
Trauriges Bild der Arbeitswelt in Deutschland
- 71% aller Mitarbeiter machen nur noch Dienst nach Vorschrift!
- 30% aller Fachkräfte verlassen das Unternehmen spätestens nach zwei Jahren!
- 14% aller Arbeitnehmer haben ihren Job bereits innerlich gekündigt!
- 50% oder mehr Krankschreibungen haben einen psychologischen bzw. psychosomatischen Hintergrund!
- 5 Millionen Menschen sind so unzufrieden, dass sie am liebsten sofort kündigen würden.
Zufriedene Mitarbeiter sind …
- engagierter & motivierter
- kreativer & lösungsorientierter
- belastbarer & leistungsfähiger
- sozialer & empathischer
- gesünder & aktiver
Coaching
Während der Begriff des Coachings früher als Methode verstanden wurde, um in Krisen besser zu agieren und um Menschen gezielt weiterzuentwickeln, um erfolgreicher und produktiver zu werden und dadurch ihre Ziele besser zu erreichen, wird Coaching heute viel weiter gefasst.
Coaching lässt wachsen und reifen, verbindet und erweitert, sorgt für Erkenntnisse und bewusste Veränderung. Dabei kann es um eine fachliche oder persönliche Weiterentwicklung gehen. Im Coachingprozess können Ziele und Herzenswünsche entwickelt werden – dies ist aber keine zwingende Voraussetzung.
Es gibt zahlreiche Coachingansätze, die auf unterschiedlichsten Erkenntnissen der Psychologie, der Glücksforschung, der Sozialforschung und der Pädagogik beruhen.
Autorin: Petra Lahnstein, Trainerin „Wachstum durch Wohlbefinden in Unternehmen“, Redakteurin und Buchautorin, Glückscoach
Zuerst erschienen in TOP Magazin Koblenz.
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